Der CCV bezieht Stellung
Der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von zunächst 8,50 Euro wurde von der damaligen Großen Koalition zum 1. Januar 2015 eingeführt. Wie im Mindestlohngesetz vorgesehen, wird dieser turnusmäßig angepasst. Zur Anpassung richtete der Gesetzgeber eine unabhängige Mindestlohnkommission ein, in der neben Gewerkschaften auch Arbeitgeber vertreten sind. Für die Entscheidung über die Anpassung prüft die Mindestlohnkommission in einer Gesamtabwägung, welche Höhe für die bundesweite Lohnuntergrenze angemessen ist.
Kommissionsbeschluss im Juni 2020
Die Kommission beschloss zuletzt am 30. Juni 2020 einstimmig eine Anpassung des Mindestlohnes. Danach sollte dieser in mehreren Schritten auf 10,45 Euro pro Stunde zum 1. Juli 2022 steigen. Mit Beginn des Jahres 2022 stieg der Mindestlohn bereits von 9,60 Euro auf 9,82 Euro. Normalerweise orientiert sich die Mindestlohnkommission auch an der Tarifentwicklung der vergangenen Jahre; die zuletzt beschlossene Anpassung fiel jedoch sechs Prozent höher aus als die Tarifentwicklung im vergleichbaren Zeitraum.
Referentenentwurf 2022
Der aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stammende Referentenentwurf des Mindestlohnerhöhungsgesetzes sieht nunmehr vor, den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro zu erhöhen. Nach dieser einmaligen Anpassung des Mindestlohnes durch den Gesetzgeber soll die Mindestlohnkommission wieder über die weiteren Erhöhungsschritte entscheiden.
Grundsätzliches
Die Mehrheit der CCV-Mitglieder stand der grundsätzlichen Einführung des Mindestlohnes positiv gegenüber, denn die Branche und der Branchenverband stehen als Arbeitgeber zu ihrer sozialen Verantwortung. Bei der Höhe ist jedoch ein Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen wichtig. Diesen gewährleistete bislang die Mindestlohnkommission. Eine rein politisch motivierte Erhöhung ohne Einbeziehung der Sozialpartner, wie jetzt geplant, lehnt der CCV hingegen ab.
Aushöhlung von Kommission und Tarifautonomie
Die politische Festlegung auf einen Mindestlohn stellt eine Aushebelung der Mindestlohnkommission dar. Diese gewährleistet aufgrund ihrer Zusammensetzung bereits, dass bei der Bestimmung der Höhe auch Aspekte der gesellschaftlichen Teilhabe einfließen und ein Mindestschutz der Beschäftigten gewahrt wird. Ein Eingreifen des Gesetzgebers ist aufgrund dieses Umstandes nicht erforderlich. Zusicherungen des Gesetzgebers bei der Einführung des Mindestlohnes, wonach die Kommission unabhängig von politischen Erwägungen die Wächterin der Lohnuntergrenze sein sollte, werden durch die Pläne der Bundesregierung nicht mehr eingehalten. Die Lohnpolitik wird durch diesen Präzedenzfall künftig vielmehr zum Spielball von Wahlkämpfen, in denen sich die Akteure mit Versprechungen zur Höhe der Lohnuntergrenze überbieten. Der Mindestlohn darf jedoch nicht zu solch einem Objekt des Wahlkampfes werden. Die pauschale, politisch motivierte Erhöhung wirft ferner die Frage auf, wie weit das Vertrauen der Politik in die unabhängige Arbeit der Mindestlohnkommission reicht.
Darüber hinaus ist die Tarifautonomie verfassungsrechtlich geschützt. Durch die politische Festlegung des Mindestlohnes werden Tarifverhandlungen entwertet und die Tarifautonomie wird ausgehöhlt.
Keine Planungssicherheit
Die frühzeitigen Entscheidungen der Mindestlohnkommission über die Anpassungen für die nächsten Jahre waren ein Garant für die Planungssicherheit der deutschen Wirtschaft. Durch die Pläne der Ampelkoalition, die Mindestlohnkommission auszuhebeln, wird diese Planungssicherheit konterkariert. Zumal für künftige Legislaturperioden durch den diesjährigen Präzedenzfall zu befürchten ist, dass die Lohnuntergrenze wiederholt an der hierfür vom Gesetzgeber eingerichteten Institution und am Dialog mit den Sozialpartnern vorbei festgelegt wird.
Negative Effekte
Es ist zudem naheliegend, dass die negativen Beschäftigungseffekte bei der geplanten Anhebung des Mindestlohnes aufgrund seines deutlich höheren Niveaus stärker ausfallen als 2015. Zu dieser Einschätzung kommt auch das Ifo Institut. Mit einer Erhöhung auf zwölf Euro würde der Mindestlohn gegenüber der bereits für den 1. Juli 2022 beschlossenen Lohnuntergrenze von 10,45 Euro um 15 Prozent ansteigen. Es ist zu erwarten, dass dieser massive Anstieg und die entsprechend hohe Personalkostensteigerung von 15 bis 25 Prozent unter anderem zu negativen Beschäftigungseffekten, einer Arbeitszeitreduzierung und zu Preiserhöhungen führt. Selbst das BMAS geht davon aus, dass es bei den betroffenen Arbeitgebern zu höheren Lohnkosten von geschätzt 1,63 Milliarden Euro allein im Jahr 2022 kommt.
Für unsere Branche ist daneben zu befürchten, dass Unternehmen vermehrt auf Nearshoring setzen. Gerade strukturschwächere Regionen, die zuvor durch Förderprogramme, etwa aus der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), für Ansiedlungen unterstützt wurden, verlören durch eine erhebliche Steigerung der Personalkosten Arbeitsplätze; die zuvor erfolgte kostenintensive Förderung wäre in der jeweiligen Region letztlich nicht nachhaltig gewesen.
Inflationstreiber
Daneben ist zu erwarten, dass solch eine erhebliche Erhöhung zu einem weiteren Inflationstreiber wird, indem die Personalkostensteigerung auf das Preisniveau durchschlägt. Auch das BMAS betont, dass sich bei einer Überwälzung der Gehaltssteigerungen die Preise für Güter und Dienstleistungen erhöhen werden. Das häufig vorgebrachte Argument, die initiale Einführung des Mindestlohnes im Jahr 2015 habe keine negativen Beschäftigungseffekte hervorgerufen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sei nicht beeinträchtigt oder das gesamtwirtschaftliche Preisniveau nicht spürbar beeinflusst worden, geht folglich angesichts der aktuell geplanten massiven Steigerung fehl, zumal die damalige Wirtschaftslage weit besser war als nunmehr in Zeiten der Pandemie.
Deplatziert in Pandemiezeiten
Wir befinden uns im dritten Jahr der Covid-19-Pandemie. Bislang wurden Wirtschaftshilfen in Höhe von etwa 130 Milliarden Euro bewilligt. Zahlreiche Branchen sind von den Auswirkungen der Pandemie schwer getroffen, indem beispielweise Veranstaltungen nicht oder nur in einem geringen Umfang stattfinden können, Räumlichkeiten nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden dürfen oder verschiedenste Dienstleistungen unmittelbar tangiert werden. Die deutsche Wirtschaft verzeichnet pandemiebedingt erhebliche Verluste. Die Unternehmen werden extrem belastet, es drohen Insolvenzen. Darum ist die Pandemie der denkbar schlechteste Zeitpunkt, aufgrund politischer Erwägungen die Personalkosten massiv zu erhöhen.
Fazit
Die Mindestlohnkommission, in deren Rahmen die Sozialpartner im Dialog den Mindestlohn festlegen, hat sich bewährt und darf nicht ausgehöhlt werden. Ferner würde die erhebliche Erhöhung unter anderem zu negativen Beschäftigungseffekten und zur Verstärkung der Inflation führen und Unternehmen sowie ganze Branchen, die bereits von der Pandemie stark betroffen sind, zusätzlich belasten. Wir überreichten dem BMAS am 2. Februar 2022 unsere Stellungnahme, verdeutlichten in einer Pressemitteilung unseren Standpunkt und setzen uns auch im Jahr 2022 engagiert für die Customer-Service- und Callcenter-Branche ein.
Constantin Jacob, Leiter Recht & Regulierung, Verbandsjustiziar im Call Center Verband
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