Sanjay bremst scharf, um einem Hund auszuweichen, der mitten auf der Straße sein halb zerlegtes Huhn verteidigt. Unser Außenspiegel nimmt freundlichen Kontakt mit einer Rikscha neben uns auf. Ich umklammere den Haltegriff und lache, „wieviel Unfälle hattest du mit dem Auto schon?“. „No accident!“, Sanjay grinst und ich frage mich, ob ich den Begriff „Unfall“ hätte genauer definieren sollen. „Me 42 years and never accident!“, er schaut mich triumphierend an, während ich krampfhaft auf die Straße starre, wo frontal ein LKW auf uns zu rauscht, ebenfalls in einem Ausweichmanöver.
Besser das Thema wechseln, denke ich und frage ihn, wie es ihm damit geht, mit 42 noch nicht verheiratet zu sein. Er antwortet ausweichend, betont seine Freiheit, seine Freunde und seinen Job. Von einer Kollegin weiß ich, dass ihm die Mutter im Weg stand, ihr war in den letzten 20 Jahren keine Frau gut genug für ihren Sohn.
Mit Online-Portalen und Agenturen zum perfekten Match
Der Heiratsmarkt in Kerala fasziniert mich. Wie in vielen anderen Teilen Indiens läuft fast alles über Online-Portale und Agenturen. Meist sind es immer noch die Eltern oder ältere Familienmitglieder, die nach potenziellen Partnerinnen und Partnern fahnden. Ein perfektes Match muss hohen Anforderungen genügen: passgenau in Sachen familiärer Hintergrund, gesellschaftlicher Status, finanzielle Verhältnisse, Ausbildung, Religion und Sternbild.
Das Horoskop hat tatsächlich schon manche meiner indischen Freunde jahrelang auf die Wartebank gezwungen, da bei schwierigen Sternkonstellationen nur selten ein Match gefunden wird. Bei Sanjay, so munkelt zumindest sein Umfeld, weist das Horoskop schlechte Vorzeichen für eine Heirat auf, was für die Partei der potenziellen Braut ein großes Risiko impliziert.
Sanjay hat jedenfalls viel Erfahrung und erzählt offenherzig. Wenn seine Eltern ein Match gefunden haben, arrangieren sie ein erstes Treffen im Rahmen einer Familienfeier, danach hat das Paar in den meisten Fällen die Chance, unter vier Augen zu sprechen. Wenn keine der beiden Parteien ein Veto einlegt, wird die Sache oft in wenigen Tage klargemacht. Das erinnert mich an ein Gespräch mit Achu, einem jungen Arzt, der seine Frau Sandra kurz vor Beginn der Pandemie zum ersten Mal getroffen hat. Eine Hochzeit war auf unbestimmte Zeit nicht möglich, was den beiden die Chance gab, ihre Dating-Phase- auszuweiten und sich besser kennenzulernen.
Hohe Zufriedenheitsquote trotz 90% arrangierter Ehen
Während Sanjay souverän durch den dichten Verkehr steuert, recherchiere ich im Netz: Scheinbar sind nach wie vor 90 Prozent aller indischen Ehen arrangiert und drei Viertel der Inderinnen und Inder zwischen 18 und 25 ziehen diesen traditionellen Weg einer „Love Marriage“ vor. Immerhin, die Scheidungsrate ist erstaunlich niedrig, mit nur einer von 100 Ehen zählt sie zu den niedrigsten der Welt, bei vergleichsweise hohen Zufriedenheitswerten. Studien, die in Indien arrangierte mit freien Ehen vergleichen, kommen zu dem Schluss, dass es keine Unterschiede gibt in der Zufriedenheit und Liebesbekundung.
Wie funktioniert das? Wie können zwei Menschen, die sich kaum kennen, so schnell eine so wichtige Entscheidung treffen, die ihre gemeinsame Zukunft beeinflussen wird? Wenn ich nur ein Gespräch gehabt hätte mit meinem heutigen Ehemann, welche Fragen hätte ich ihm gestellt? Nach der Beziehung zu seiner Mutter und seinen Erlebnissen in den ersten beiden Lebensjahren, um frühkindliche Störungen auszuschließen? Was müssen wir voneinander wissen, um darauf ein Leben bauen zu können?
Für Sanjay ist die Sache klar: „It’s all about Sex. If Sex not work, then divorce“ Ich runzle die Stirn und schaue ihn zweifelnd an. Gerade das lässt sich den Regeln folgend hier nicht vorab erkunden, intim wird es doch erst nach den aufwändigen Hochzeitsfeierlichkeiten. Wie sollen also Eltern oder Algorithmen sexuelle Passung filtern? Sanjay zuckt die Schultern und lacht.
Die Frage lässt mich nicht los und In den nächsten Tagen sammle ich drei verschiedene Perspektiven auf die vermeintlichen Erfolgsfaktoren glücklicher arrangierter Ehen:
1) Auswahl einschränken (Sindhu, Mutter von erwachsenen Kindern)
„Eltern haben viel mehr Erfahrung als junge Erwachsene. Wir vertrauen unseren Eltern, sie sortieren für uns vor und lassen eine überschaubare Auswahl übrig. Wie schwer ist es für euch Westler, in der Vielzahl von Optionen einen guten Mann oder eine gute Frau zu finden? Euch geht es vor allem um das Äußere, das ist doch sowieso vergänglich“.
Stimmt das? Beobachte ich Tinder- und Bumble-Maniacs, vermutlich schon. Online finde ich Studien zum „Attraktivitäts-Matching“, bei dem wir die physische Attraktivität potenzieller Partner stark gewichten, am liebsten solche, deren Attraktivität mit unserer eigenen vergleichbar ist.
Spannend wird es bei der richtigen Auswahlmenge. Chris McKinlay hat bei OKCupid einen datengesteuerten Prozess verwendet, um mathematisch individuell zu beantworten, wie viele potenzielle Partner man vor der Heirat daten sollte. Witzige Vorstellung, wenn Tinder-Lover nur eine fixe Anzahl von Dates zur Verfügung hätten.
2) Nicht lange überlegen (Lipsi, Mutter einer 4-jährigen Tochter)
„Habe ich nachgedacht, ob er der Richtige ist? Nein, das war nur ein Bauchgefühl. Was hätte mir das Nachdenken gebracht?“
Ich denke an Freunde aus Deutschland, die komplexe Excel-Tabellen erstellen, um sich zwischen BMW oder Audi zu entscheiden und finde überraschend viel Bestätigung für Lipsi im Netz. Jede Menge Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Menschen bei komplexen Entscheidungen besser bedient sind, wenn sie nicht zu viel nachdenken. In einer Studie mit IKEA-Möbelkäufern, waren die Kunden, die sich spontan für ein Möbelstück entschlossen haben, einige Wochen später zufriedener. Vermutlich liegt es daran, dass uns intensives Nachdenken über verschiedene Optionen so an die Auswahl bindet, dass wir nach der Entscheidung noch über den Verlust der nichtgewählten Alternativen nachdenken. Passt das IKEA-Beispiel auf den Heiratsmarkt? Weniger Auswahl + schnelle Entscheidung = weniger Alternativszenarien im Kopf.
3) Erwartungen runterschrauben (Jaya, Mutter einer frisch verheirateten Tochter
„Romantische Liebe?“, Jaya kichert, „Nein, der Mann meiner Tochter hat ein gutes Herz und einen sicheren Job. Die beiden stehen jetzt ganz am Anfang und werden sich was aufbauen. Da gibt es auch Krisen und dann sind wir Eltern da, um zu schlichten.“
Ob Eltern systemisch die besten Ratgeber in Beziehungskrisen sind, wage ich zu bezweifeln. Immerhin kann ich verstehen, dass es Paare leichter haben, wenn sie ohne romantisches Beziehungsideal in eine Ehe starten. Jede Erwartung ist eine Falle, der Satz passt auch hier, aber können wir wirklich frei von Erwartungen leben? Pragmatischer finde ich die Selbstbefragung, ob wir ihn oder sie auch dann heiraten wollen, wenn wir uns bewusst machen, dass wir unser Gegenüber nicht ändern werden.
Die meisten Ehen in Deutschland scheitern im 5ten, 6ten und 7ten Jahr, wenn die Verliebtheitsphase und auch die Post-Heirats-Zufriedenheitswelle abgeebbt ist. Hatten sie zu hohe Erwartungen? Trauern sie den verpassten Chancen von Tinder-Alternativen nach? Haben Sie zu viele Excel Tabellen ausgefüllt?
Ich bin nicht in der indischen Kultur aufgewachsen und froh, dass ich trotz all der westlichen Komplexitätsherausforderungen in einer glücklichen Variante der Love Marriage lebe. Und Sanjay? Mit 42 ist er mehr als zehn Jahre zu alt für ein gutes Match. Von Sex scheint er trotzdem etwas zu verstehen, jedenfalls wird er rot als ich ihn danach frage, das müsse aber unter uns bleiben. „You know, maybe I have match on second market”, er spielt auf die zweite Runde an, wenn die sex-frustrierten Trennungskandidaten auf dem Heiratsmarkt wieder neu vermittelt werden.
Die Antwort steht in den Sternen – so viel ist sicher.
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Verena Fink
Geschäftsführende Gesellschafterin
Woodpecker Finch GmbH
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