Von der Vollkost zur Fasten-Kur
Von der bisher präferierten Trainings-Vollkost auf strenge Nulldiät zu wechseln ist keine Lösung für die Zukunft! Denn gerade das Thema Home-Office hat neue Unsicherheiten mit sich gebracht: im Umgang der Mitarbeiter miteinander, durch das Auftreten von Performance-Einbrüchen oder aufgrund von Zweifeln, ob die Mitarbeiter zuhause überhaupt produktiv arbeiten können. Mitarbeitende im Home-Office waren oft allein gelassen, weil der informelle (Wissens-)Austausch nicht mehr wie gewohnt stattfinden konnte. Doch es gibt weiterhin den Hunger und auch die Notwendigkeit nach Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und natürlich auch der Führungskräfte. Allerdings unter einer neuen Prämisse: Training und Weiterbildung sind weiterhin gewünscht, nur nicht in Präsenz von anderen Teilnehmenden Für TrainerInnen bedeutete dies: Der Kochstil muss sich ändern!
Der bisherige Kochstil
Bis Mitte des letzten Jahres war fast jede Trainingsanfrage gleichbedeutend mit einem 8-Stunden Präsenztraining. Die Frage war nur: wie viele Tage insgesamt? Doch plötzlich waren ganz andere Themen relevant: „Wie führe ich aus dem Home-Office“ oder „DOs and DONTs in Online-Meetings“. Der Webinar-Markt wurde überflutet, es mussten neue Koch-Ideen her, die den Teilnehmenden schmecken, ihre Weiterentwicklung unterstützen und die vor allem auch Spaß machen.
Doch nach 6-8-Stunden Online-Training ist man nicht nur als Trainerin müde. Alle Teilnehmenden sind erschöpft und „überfüttert“ mit Wissen. Das war auch nach einem Tag Präsenztraining so, allerdings anders. Nach einem Online-Training ist man allein, plötzlich Ruhe, kein sanfter Ausklang. Kein netter Small-Talk noch zum Abschluss mit den Teilnehmenden. „Meeting für alle beenden“ und aus!
Nur Fasten geht auch nicht
Nach einem Jahr Online-Marathon setzte Verdruss ein. Viele mochten auch nicht mehr den ganzen Tag vor der Kamera sitzen. Sich von Meeting zu Meeting klicken, ohne dabei den netten Small-Talk mit den Kollegen*innen abhalten zu können. Eine Online-Müdigkeit machte sich breit. Viele möchten gerne wieder ins Büro, zumindest mal vereinzelte Tage. Man möchte Kollegen*innen wieder treffen und einfach nur mal persönlich reden.
Mir als Trainerin geht es genauso: mir fehlen meine Teilnehmenden. Mir fehlt die Nähe, die komplette Körpersprache und nicht nur der obere Teil eines Menschen am Bildschirm. Ich mag keine Initialen in Kreisen auf dem Bildschirm mehr anschauen. Das Reden nur mit dem Loch am oberen Bildschirmrand ließ mich manchmal denken, ob ich nicht langsam abdrifte. Ich will wieder raus in die Unternehmen. Leider geht das noch nicht.
Doch in jeder Krise steckt bekanntlich eine Chance. Ich habe das Format der Online-Trainings schätzen gelernt. Die ungewollte Diät mit der Umstellung auf das Fasten hat meinen Blickwinkel verändert. Ich erkannte die Chancen, die Online-Formate liefern und wie eine Kombination von Online- und Präsenzformaten eine wertvolle Nahrungsergänzung hin zu einer gesunden und nachhaltigen Wissensernährung ergeben können.
Eine mögliche Alternative: Wissenssnacks
Ein Kunde von mir hat im letzten Jahr alle Präsenztrainings aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt und auf Mitte 2021 verschoben. Er hatte die Hoffnung, zu diesem Zeitpunkt wieder gemeinsam die Präsenztrainings durchführen lassen zu können. Es ging um das Thema „Gelungene und professionelle Kommunikation am Telefon im Kundenservice“. Ich fragte dann spontan: „Und was passiert in der Zwischenzeit mit der Kommunikation zum Kunden? Wollen Sie das einfach brach liegen lassen bis zum nächsten Jahr?“ Die klare Antwort war: „Nein!“ Dafür steht das Thema zu sehr im Mittelpunkt.
Doch was tun? Die Präsenztrainings in Online-Trainings verwandeln? Nein! Das Thema war behaftet mit inneren Hürden seitens der Teilnehmenden. Von daher war mir wichtig, die Leute persönlich zu sehen und kennenzulernen, eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Deshalb entschieden wir uns für eine sogenannte „Snack-Reihe“ bis zur eigentlichen „Vollkost“ dem Präsenztraining.
Die Zubereitung der Snacks
Die Trainings wurden so aufgebaut, dass alle Teilnehmenden zu einer einstündigen Kick-Off Online-Session eingeladen wurden. Ziel war es, mich als Trainerin und Mensch kennenzulernen und natürlich auch umgekehrt. Daraufhin wurde eine Erwartungsabfrage (anonym) in die Runde geschickt mit verschiedenen Fragestellungen zum zukünftigen Kommunikationstraining (z.B. „Für welche Gesprächssituationen am Telefon wünsche ich mir noch Tipps oder Handlungsalternativen?“) Die Auswertung wurde mir zugeschickt. Die Antworten wurden von mir geclustert und in Blöcke sortiert. Aufbauend auf diesen Ergebnissen bereite ich nun die „Snacks“ vor. Jeden Monat findet nun eine einstündige Online-Session mit ca. 20 Teilnehmenden statt. Und da ich als Trainerin grundsätzlich keine Frontalbeschallung schätze, sind meine Snacks als interaktive Lerneinheiten angelegt, mit Diskussionspunkten und offenen Fragerunden zu dem jeweiligen Thema.
Das Ergebnis nach einer internen Umfrage war, dass diese kurzen Online-Formate mit jeweils einem Thema sehr gut aufgenommen werden. Ein konkretes Feedback lautet:
„Ich finde diese kurzen Inputs fast noch geschickter als eine längere Schulung: Der Mensch kann nur eine gewisse Menge an Daten auf einmal aufnehmen, und mit kurzen Schulungen ist eher sichergestellt, dass etwas hängenbleibt.“
Zwischen den Online-Sessions bekommen die Teilnehmenden ein Arbeitsheft, mit dem sie dann Gesprächssituationen mit Kunden notieren können. So gibt es im späteren Präsenztraining genügend Praxisbeispiele, um damit nah an der Realität trainieren zu können. Diese Art von kurzen Lerneinheiten war keine neue Erfindung, sie ist unter dem Begriff Microlearning bekannt. Microlearning ist eine Form des Lernens in kleinen Portionen, häufig auch unter Verwendung von spezieller Software auf dem Computer oder dem Smartphone. (Stangl, 2021). Der Unterschied ist: hier handelt es sich nicht um ein Stück Software, sondern um mich selbst als Trainerin im direkten Kontakt mit den Lernenden. Kurze, fokussierte Online-Trainings, die auf ein bestimmtes Lernergebnis zugeschnitten sind, können so gestaltet werden, dass sie einen eigenständigen Snack bilden, der einen gezielten Lernprozess ermöglicht. Als Teil eines längeren Lernpfades, in diesem Fall „Professionelle Kommunikation am Telefon“.
Snacks für Zwischendurch sind gut
Die Vorteile der Online-Snacks: das Wissen wird häppchenweise vermittelt und kann so besser verdaut werden. Die Teilnehmenden können gut bei der Sache bleiben, weil sich die Konzentrationsphase auf einen kurzen Zeitraum beschränkt. Auch aus Sicht der Unternehmen ist dies eine wertvolle Alternative: die Teilnehmenden müssen nur für 2-3 Stunden verplant werden und nicht für einen kompletten Tag.
Die Einnahme von Snacks über einen längeren Zeitraum sichert die Nachhaltigkeit und den Transfer der Trainingsinhalte in den Arbeitsalltag. Doch es gibt auch Nebenwirkungen dieser Snacks: Die Erfahrung zeigt, dass Themen, die mit Ängsten oder Befürchtungen verbunden sind, die ein großes Vertrauen voraussetzen, in diesem Format nur schwer oder gar nicht umgesetzt werden können.
Tipps zur erfolgreichen Wissensernährung
Was passiert nun mit den geplanten Präsenztrainings? Werden sie durchgeführt werden können? In diesem Falle ja. Eine Kombination aus Vollkost und Snacks führt hier zu einer Sicherung des Transfers und der Nachhaltigkeit. Doch in Zukunft werde ich mit meinem Kunden gemeinsam entscheiden, was der beste Weg zum besten Ergebnis ist. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass grundlegende Wissensinhalte, wie etwa der Aufbau eines Sales-Prozesses, durchaus als Snacks serviert werden können. In unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen zeitlichen Abständen. Komplexe Themen, die beispielswese innere Widerstände hervorrufen, empfehle ich in Präsenz durchzuführen.
Es stellt sich also nicht die Frage: Vollkost oder Snacks, sondern genießen sie beides und sprechen Sie vorher mit dem Ernährungsberater*in und Koch/Köchin ihres Vertrauens.
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