TARGOBANK CASE STORY schenken. Schließlich steht Gemeinschaftswohl vor Eigeninteresse. Diese Haltung drückt sich unter anderem auch in geänderten Funk- tionsbeschreibungen aus: Teamleiter*innen werden People Leads, Mitarbeiter*innen werden Member, und eine komplett neue Rolle wurde eingeführt: Der Agile Coach, der dafür sorgt, dass das Team bestmöglich miteinander arbeiten kann, Störungen thematisiert und Lösungen anstößt, agile Methoden und Rituale ausprobiert und eta - bliert. People Lead und agiler Coach arbeiten im sogenannten Pairing als Tandem zusammen. Der Fokus liegt auf der Entwicklung der Member und des agilen Teamgefüges. Aufgaben, die bisher immer bei der Teamleitung lagen, werden systematisch an die Member abge - ge ben. Das geht mal leichter, z.B. bei der Selbststeuerung der Teams durch klar gesetzte Rahmen. Und mal schwerer, z.B. bei der Übernahme von Projektaufgaben wie der Einführung einer neuen Telefonie- Software. Aber wichtig dabei ist, es geht und wir tun es konsequent. Feedback, Entwicklung und Beurteilungen Der Fokus liegt auf der Entwicklung der Mitarbeiter*innen. Die Jahresbeurteilung ähnelt der Zeugnisvergabe in der Schule und löst ähnliche Gefühle aus. Die an der Bonushöhe orientierte Schwer- punktsetzung liefert zwar Anreize, aber keinen persönlichen Ent- wicklungsanstoß. Mit dem Abschied vom etablierten Beurteilungs- prozess haben wir das kontinuierliche Wachstums-Management, kurz KWM, eingeführt: Kontinuierliches und strukturiertes Feed- back, das selbstständig und hierarchieübergreifend eingeholt wird. Über das Feedback können die Mitarbeiter*innen einschätzen, was sie gut können, wo es Entwicklungsfelder gibt, wo sie hinmöchten und was sie dafür tun können. Zusammen mit dem People Lead werden diese Inputs zweimal im Jahr im Entwicklungsdialog reflek - tiert und gemeinsame Vereinbarungen abgeleitet. Und das ganz ohne Note, Ranking, Rating o.ä. Und alle machen sofort mit? Nein. Wer Veränderungen anstößt, braucht Geduld, um sich Sätze wie: Wann soll ich das denn noch machen?… Machen wir schon immer so… Das ist aber nicht zu Ende gedacht… anzuhören. Der permanente Dialog in den Teams und Face-to-Face, in dem Sinn und Zweck der agilen Transformation immer wieder herausgestellt wurden, war hier ein erster Schlüssel. Im Weiteren galt es genau zuzuhören, Verständnis für andere Sichtweisen und Emotionen zu zeigen, zu er - kennen, was die Anderen motiviert und antreibt – „Moving Motiva - tors“ als Tool ist hier sehr empfehlenswert – und vor allem aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, das „Wie?“ mitgestalten zu können. Pia Mathis, agile Coachin beim Targobank Kundenservice, bringt es auf den Punkt: „Wenn ich Jahre oder Jahrzehnte fremdbestimmt meinen Arbeitsalltag erlebt habe, dann kann es für mich ungewohnt, ja sogar beängstigend sein, auf einmal Freiheiten bei Lösungsfin- dungen und Entscheidungen zu haben, keine Beurteilung mehr zu bekommen und die klassische Hierarchiepyramide wegbröckeln zu sehen.“ Das Gefühl von Überforderung kann entstehen und sollte ernst genommen werden. Kleine Änderungen im Denken und Verhal ten zu erkennen und zu feiern war hier ein entscheidender Erfolgsfaktor – das kann manchmal schon der eigenverantwortlich eingestellte Termin mit dem People Lead in Outlook sein. Als die ersten Mutigen anfingen, Freiräume zu nutzen und ihre Erfahrungen zu teilen, dabei eigene Fehler thematisierten und das daraus Erlernte aufzeigten, entstand immer mehr ein Sogeffekt, der auch die sicher- heitsorientierten Kolleg*innen mehr und mehr mitnahm. Messen, wiegen, zählen – alles nicht mehr notwendig? Es gibt einige agile Mythen, einer ist: Im agilen Set-up machen alle, was sie möchten. Ein weiterer ist, dass es irrelevant sei, was beim agilen Arbeiten als Ergebnis herauskommt. Diese Mythen haben allerdings wenig mit der Realität zu tun. Es geht immer um konkrete Ergebnisse: Sogenannte „Objectives and Key Results“ werden bei uns im Vorhinein von Projekten im Rahmen von Prozess Planungs- Sessions festgelegt. Sie ermöglichen transparentes, einfaches und fokussiertes Arbeiten an den Zielsetzungen unter Einbindung aller Beteiligten und das mit einer Perspektive von drei Monaten. Im Rahmen von Retros wird laufend die Qualität der Zusammenarbeit der Beteiligten an Projekten oder Projektschritten bewertet. Mit Hilfe von Reviews betrachtet man die Qualität der Ergebnisse. Und an den bekannten Kanban-Boards, in Zeiten von verstärktem Homeoffice mittlerweile auch digital, werden Fortschritte und Blockaden auf einen Blick ersichtlich. Genau das haben wir in den Produktions- teams auch eingeführt: Kurze Zielzyklen mit permanenter Reflektion des Ergebnisses – Reviews – und der Zusammenarbeit – Retros – sowie knackige Ableitungen für die nächste Phase. Dabei haben wir gemerkt, dass sowohl Rhythmus als auch Form der Reflektion vom jeweiligen Umfeld abhängig ist. Dementsprechend bedarf es einer flexiblen Umsetzung, um individuelle Lösungen zu finden. Die liebe Technik Ein großer, limitierender Faktor bei der Einführung von stärker selbst - organisiert arbeitenden Teams kann die vorhandene Technik sein. 24 TeleTalk 5/2021 www.teletalk.de